Der Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit

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Bonn/Berlin, 29. Januar 2020

Pressemitteilung 02/2020

Bundesdatenschutzbeauftragter empfiehlt Evaluierung des Kontenabrufverfahrens

Im vergangenen Jahr wurden mehr als 900.000 Kontenabrufe durch Behörden genehmigt, wie das Bundesministerium der Finanzen mitteilte. Der Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit (BfDI) Ulrich Kelber sieht die jährlich steigende Zahl kritisch: "Jeder Kontenabruf stellt einen Eingriff in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung dar. Ich halte eine Evaluierung des Kontenabrufverfahrens für dringend notwendig."

Der automatisierte Abruf von Kontoinformationen - kurz Kontenabruf - wurde als Folge der Terroranschläge vom 11. September 2001 eingeführt, um Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung besser bekämpfen zu können. Für diesen Zweck müssen Kreditinstitute seitdem bestimmte Kontoinformationen vorhalten.

Zunächst durfte nur die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) Kontenabrufe für die Sicherheitsbehörden durchführen. 2005 erhielt außerdem das Bundeszentralamt für Steuern (BZSt) die Befugnis zur Abfrage. Seit 2013 dürfen auch Gerichtsvollzieher das BZSt um Kontenabrufe ersuchen. Damit ist aus einem Diagnoseinstrument der Geldwäsche- und Terrorismusfinanzierungbekämpfung ein Vollstreckungshilfsmittel geworden.

Es ist deswegen nicht erstaunlich, dass die Anzahl der Kontenabrufersuchen insbesondere seit 2013 stetig angestiegen ist. Gab es 2012 noch 72.000 solcher Abrufersuchen an das BZSt, waren es im vergangenen Jahr mehr als 900.000.

Dazu sagte der BfDI weiter:

Mit dem Gesetz zur Förderung der Steuerehrlichkeit hat der nationale Gesetzgeber ab 2005 begonnen, den ursprünglichen Anwendungsbereich auszuweiten. Die damit verbundene Einschränkung des Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung ist nur hinnehmbar, wenn Gesetzgeber und Behörden alles tun, um dieses Instrument maßvoll einzusetzen. Es darf beispielsweise nicht zu Personenverwechslungen kommen, weil Schuldner und vermeintlicher Schuldner zufällig denselben Namen tragen. Solche Fehler verletzen den datenschutzrechtlichen Grundsatz der Integrität und Vertraulichkeit und sind für die Betroffenen nicht hinnehmbar.

Die durch das Steuerumgehungsbekämpfungsgesetz nunmehr erreichten Verbesserungen der Integrität und Vertraulichkeit der Daten begrüße ich daher ausdrücklich. Ob diese Verbesserungen auch tatsächlich greifen, bleibt abzuwarten. Ich bezweifle, ob die Kontenabrufe angesichts der seit Jahren steigenden Zahlen noch verhältnismäßig sind.