Der Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit

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Bonn, 9. November 2007

Pressemitteilung 45/2007

Schaar: Verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Vorratsdatenspeicherung nicht ausgeräumt

Der Deutsche Bundestag hat heute in 2. und 3. Lesung das Gesetz zur Neuregelung der Telekommunikationsüberwachung und anderer verdeckter Ermittlungsmaßnahmen sowie zur Umsetzung der EG-Richtlinie 2006/24/EG verabschiedet. Der Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit, Peter Schaar, erklärt hierzu:

Der Deutsche Bundestag hat trotz der von vielen Seiten vorgebrachten erheblichen Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit die generelle und verdachtslose Vorratsdatenspeicherung von Telekommunikationsdaten beschlossen. Zwar orientiert sich das Gesetz an der in der EG-Richtlinie vorgegebenen Mindestspeicherungsfrist. In verschiedener Hinsicht geht das Gesetz allerdings über die Vorgaben der Richtlinie hinaus, insbesondere hinsichtlich der Verwendung der Daten für weniger schwere Straftaten und ihre Übermittlung an die Nachrichtendienste und Ordnungsbehörden. Damit wird den Ordnungsbehörden und den Nachrichtendiensten ohne richterliche Prüfung ein Zugriff auf die Verkehrsdaten gestattet. Nicht zuletzt wird die Möglichkeit zur anonymen und unbeobachteten Internetnutzung künftig nicht mehr gewährleistet.

Der Bundestag hat ferner Änderungen der Strafprozessordnung vorgenommen. Hierzu sagte Schaar:

Zwar erkenne ich an, dass die Neuregelung in der Strafprozessordnung die rechtsstaatlichen und grundrechtlichen Sicherungen bei verdeckten strafprozessualen Ermittlungsmaßnahmen stärkt. Gleichwohl bleiben diese teils erheblich hinter den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts und datenschutzrechtlichen Erfordernissen zurück. Ich bedauere sehr, dass auch hier im Rahmen der parlamentarischen Beratungen keine substantiellen Verbesserungen erreicht wurden. Im Gegenteil hat der Bundestag sogar noch Änderungen beschlossen - etwa bei der Anordnungsdauer von Telekommunikationsüberwachungen oder bei den über die Maßnahmen zu erstattenden Berichten -, welche die verfahrensrechtlichen Schutzvorkehrungen des Regierungsentwurfs wieder verwässern. Unzureichend sind auch die Regelungen zum Schutz des so genannten Kernbereichs privater Lebensgestaltung, denn sie sind inhaltlich so eng gefasst, dass bei der Telekommunikationsüberwachung die Erfassung von höchstpersönlichen Gesprächsinhalten nicht wirksam verhindert werden kann.

Schaar bemängelte auch den nicht ausreichenden Schutz besonderer Vertrauensverhältnisse vor staatlichen Überwachungsmaßnahmen.

Die vorgesehenen Unterschiede im Schutzniveau für verschiedene Arten von Berufsgeheimnisträgern halte ich nicht für angemessen. Es ist für mich nicht nachvollziehbar, warum etwa Gespräche mit einem Arzt oder Rechtsanwalt weniger geschützt sein sollen als solche mit Geistlichen, Verteidigern oder Abgeordneten.