Bonn, 15. März 2007
Pressemitteilung 11/2007
Der Mensch ist kein Scorewert – Schaar begrüßt Seehofers Charta der digitalen Verbraucherrechte!
Der Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit, Peter Schaar, begrüßt die heute von Bundesminister Seehofer vorgestellte Charta „Verbrauchersouveränität in der digitalen Welt“. Dem Schutz personenbezogener Daten komme angesichts der zunehmenden elektronischen Dienste entscheidende Bedeutung zu. Dies bringe auch die Charta zum Ausdruck.
Zu den vielfach - insbesondere bei der Kreditvergabe - praktizierten Scoringverfahren führte Schaar aus: „Es wird uns von den Unternehmen, die Scorewerte anbieten oder verwenden, suggeriert, in einer zunehmend anonymisierten Welt werde das Bedürfnis nach Sicherheit und Berechenbarkeit durch einen einfachen Zahlenwert wieder hergestellt.“ Ein mathematisch-statistisches Rechenverfahren soll voraussagen können, welches Kreditrisiko bei einem Verbraucher besteht. Die Auskunfteien argumentieren, dass dieses Bewertungsverfahren auch dem Interesse der Verbraucher diene.
Diese vereinfachte Sichtweise weist der Bundesdatenschutzbeauftragte zurück:
Schaar: „Mit den Interessen der Verbraucherinnen und Verbraucher hat das derzeit praktizierte Verfahren des Scoring nur sehr wenig zu tun. Es ist für den Betroffenen kaum durchschaubar und macht ihn so zum bloßen Objekt von nicht nachvollziehbaren Bewertungen, die nicht einmal einen Bezug zu seinem tatsächlichen Zahlungsverhalten aufweisen.“ „Mehr noch“, so warnt Schaar, „Scoring kann in seiner Konsequenz zur Diskriminierung beitragen, wenn es den Menschen zum Opfer einer erhöhten statistischen Wahrscheinlichkeit macht und ihm das durchschnittliche Verhalten einer fiktiven Gruppe persönlich negativ zugerechnet wird, ohne dass er die Möglichkeit hat, seine Gruppenzugehörigkeit und damit seinen Scorewert zu beeinflussen.
Insbesondere bei Bestellungen über das Internet erfährt der Verbraucher vielfach nicht einmal, dass er „gescort“ wurde. Dies erfolgt teilweise sogar dann, wenn das Interesse an einem Vertragsabschluss oder einem Kredit gar nicht vorhanden ist oder nicht mehr weiterverfolgt wird. Zudem wird dem Betroffenen bisweilen nicht einmal mitgeteilt, dass er auf Grund eines schlechten Scores nicht als Vertragspartner in Frage kommt oder sich mit schlechteren Konditionen bescheiden muss.
Sofern er erfährt, dass sein vermeintlich schlechter Scorewert ausschlaggebend war, ist er argumentativ in der Defensive. Muss er doch nun angesichts des Ergebnisses des „objektiven“ Rechenverfahrens beweisen, dass er dennoch vertragswürdig ist. Dies kann er vielfach aber nicht, da er nicht weiß, wie sich der Score errechnet und welche Merkmale mit welcher Wertigkeit berücksichtigt worden sind. Er ist der Verlierer!“
„Deshalb besteht dringender gesetzgeberischer Handlungsbedarf. Insbesondere sind klare rechtliche Rahmenbedingungen, für das Scoring erforderlich, um die Transparenz gegenüber den Verbrauchern zu gewährleisten“, fordert Schaar. „Die Auskunfteien dürfen sich nicht länger hinter „Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen“ verstecken. Schließlich muss sichergestellt werden, dass nur bonitätsrelevante und nachprüfbare Fakten beim Scoring verwendet werden.“