Der Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit

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Bonn, den 6. November 2006

Pressemitteilung 44/2006

Anti-Terror-Datei – ein weiterer Schritt auf dem Weg zur Überwachungsgesellschaft

Anlässlich der heutigen öffentlichen Anhörung des Innenausschusses des Deutschen Bundestages zur Anti-Terror-Datei und zum Terrorismusbekämpfungsergänzungsgesetz erklärt der Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit Peter Schaar:

„Gegen diese Gesetzesvorhaben habe ich erhebliche verfassungs- und datenschutzrechtliche Bedenken. Wenn die Entwürfe Gesetz würden, wäre dies ein weiterer Schritt auf dem Weg in eine Überwachungsgesellschaft, in der auch solche Bürgerinnen und Bürger als Risikofaktoren behandelt werden, die keinen Anlass dafür gegeben haben. Mit der Antiterrordatei werden die IT-Systeme von Nachrichtendiensten und Polizei technisch miteinander verknüpft. Nach aller Erfahrung ist zu befürchten, dass eine derartige gemeinsame Infrastruktur tendenziell zu einem Vollverbund ausgebaut wird.“

Das Trennungsgebot, das die informationelle Zusammenarbeit von Polizei und Nachrichtendiensten aufgrund der unterschiedlichen Aufgaben und Befugnisse begrenzt, würde durch das Anti-Terror-Datei-Gesetz durchbrochen. Im Gesetzentwurf ist vorgesehen, die Nachrichtendienste zu verpflichten, nicht nur Daten über Terrorverdächtige, sondern auch über „Kontaktpersonen“ in die Anti-Terror-Datei einzustellen. So könnten etwa die Daten von Bewohnern eines Studentenwohnheims, in dem auch ein Terrorverdächtiger wohnen soll, in die Datei aufgenommen werden. Die Speicherverpflichtung umfasst sogar ungesicherte Daten, die durch Nachrichtendienste gesammelt wurden, etwa nach einem anonymen Hinweis. Damit erscheint es fast sicher, dass auch Daten unbescholtener, d.h. sich rechtmäßig verhaltender Personen, in der Antiterrordatei gespeichert werden und damit zur Kenntnis der Polizeibehörden gelangen – mit potenziell weit reichenden Konsequenzen für die Betroffenen. Besonderen Bedenken begegnet auch, dass neben den zentralen Stellen, die im Bund und in den Ländern für die Terrorismusbekämpfung zuständig sind (BKA, LKÄ, BfV, LfV), weiteren Behörden der Zugang eingeräumt werden kann. Je umfangreicher die Zahl der Zugriffsberechtigten ist, desto schwieriger ist es, die Daten effektiv gegen einen Missbrauch zu schützen. Schließlich legt das Gesetz nicht abschließend fest, welche Daten gespeichert werden dürfen. Gerade bei einer Datei mit derart sensiblem Charakter wäre eine strikte Begrenzung des Datenumfangs unerlässlich.

Die Befugnisse der Nachrichtendienste waren bereits durch das Terrorismusbekämpfungsgesetz (TBG) im Jahr 2002 erheblich erweitert worden. Nach dem Willen der Bundesregierung sollen diese bis zum 11. Januar 2007 befristeten Befugnisse nicht nur fortbestehen, sondern durch das Terrorismusbekämpfungsergänzungsgesetz (TBEG) noch weiter ausgedehnt werden. Insbesondere die pauschale Übertragung von Befugnissen, die bislang dem Verfassungsschutz vorbehalten sind, auf den BND und den MAD (etwa die Abfrage von Telekommunikationsdaten und von Nutzungsdaten des Internet) und die Absenkung der Verfahrenssicherungen (so soll bei bestimmten Abfragen nicht mehr die G10-Kommission des Deutschen Bundestags entscheiden, sondern ein Beamter des höheren Dienstes des Bundesinnenministeriums) sind datenschutzrechtlich bedenklich.