Der Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit

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Bonn, den 20. September 2006

Pressemitteilung 35/2006

Gesetzentwurf zur Anti-Terror-Datei birgt schwerwiegende verfassungsrechtliche Risiken

Das Bundeskabinett hat heute den Entwurf eines Gesetzes zur Errichtung gemeinsamer Dateien von Polizeibehörden und Nachrichtendiensten des Bundes und der Länder (Gemeinsame-Dateien-Gesetz) beschlossen. Mit diesem Gesetzentwurf werden Rechtsgrundlagen für eine gemeinsame Anti-Terror-Datei der deutschen Sicherheitsbehörden beim BKA und zu sog. Projektdateien geschaffen. Hierzu sieht der Gesetzentwurf umfangreiche Datenkataloge sowie differenzierte Zugriffsrechte der beteiligten Stellen vor. Der Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit Peter Schaar erklärt hierzu:

"Der vorliegende Gesetzentwurf birgt schwerwiegende verfassungsrechtliche Risiken. Erstmals sollen damit in der Bundesrepublik Deutschland gemeinsame Dateien von Polizeien und Nachrichtendiensten des Bundes und der Länder errichtet werden. Für die Aufklärung und Bekämpfung des internationalen Terrorismus ist gewiss die Beschleunigung der informationellen Zusammenarbeit zwischen den Sicherheitsbehörden notwendig. Um so wichtiger erscheint es, dass auch in Zukunft die Trennung von polizeilicher Exekutivgewalt und nachrichtendienstlichen Informationssammlungen gewahrt bleibt. In einzelnen Punkten, die im Zusammenhang zu sehen sind, geht der Gesetzentwurf über das verfassungsrechtlich Zulässige erheblich hinaus.

So dürfen in der Anti-Terror-Datei nur solche personenbezogene Daten gespeichert werden, die zur Identifizierung von Personen und für eine Gefährdungseinschätzung bei der Bekämpfung des internationalen Terrorismus geeignet und erforderlich sind. Tatsächlich enthält der Gesetzentwurf jedoch einen recht umfangreichen Datenkatalog mit teilweise sensitiven Informationen. Umso wichtiger wäre es, den Kreis der beteiligten Behörden im Hinblick auf das sensible Datenmaterial zu beschränken. Statt dessen ist vorgesehen, auch weiteren Polizeivollzugsbehörden auf unterer Ebene den Zugriff auf die Datei einzuräumen, was im Hinblick auf das Trennungsgebot sehr kritisch zu sehen ist.

In der Datei werden nicht nur terrorverdächtige Personen erfasst, sondern auch Kontaktpersonen, bei denen tatsächliche Anhaltspunkte für ihre Verbindung zu Terrorverdächtigen sprechen. Durch diese relativ niedrige Erfassungsschwelle, die nicht der einschlägigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, u.a. zum Hamburgischen Polizeigesetz, entspricht, ist nicht auszuschließen, dass auch Personen über das Umfeld des Terrorismus hinaus erfasst werden. Die Speicherung unbeteiligter Personen muss aber in jedem Fall verhindert werden.

Der Gesetzentwurf sieht einen umfangreichen Katalog von Grunddaten und erweiterten Grunddaten vor. Ergänzend soll auch die Aufnahme besonderer Bemerkungen, ergänzender Hinweise und Bewertungen in Freitextform zulässig sein. Hiermit wird den Polizeibehörden u.U. der Zugriff auf weiche, d.h. nicht gesicherte, Informationen eröffnet, die als solche für ihre Aufgabenerfüllung weder geeignet noch erforderlich sind. Auch dies birgt ein erhebliches verfassungsrechtliches Risiko.

Ich werde darauf drängen, die vorgenannten Punkte im Verlauf der parlamentarischen Diskussion auf ihre verfassungsrechtliche Unbedenklichkeit kritisch zu überprüfen.“