Bonn, den 21. August 2006
Pressemitteilung 32/2006
Schaar für Versachlichung der Diskussion über Anti-Terror-Maßnahmen
Zu den jüngsten Forderungen, die Videoüberwachung auszuweiten und die gesetzlichen Befugnisse von Nachrichtendiensten und Polizei zur Bekämpfung des Terrorismus auszuweiten, erklärt der Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit Peter Schaar:
„Ich begrüße die raschen Fahndungserfolge nach den fehlgeschlagenen Terroranschlägen. Sie belegen, dass die deutschen Sicherheitsbehörden im Rahmen ihrer gesetzlichen Befugnisse schnell und effizient arbeiten. Ein allgemeiner Ruf nach mehr Überwachung und zusätzlichen Befugnissen für Polizei und Nachrichtendienste lässt sich durch die jüngsten Erfahrungen jedenfalls nicht begründen. Der Datenschutz steht effizienten und zielgerichteten Maßnahmen nicht im Wege. Allerdings müssen dabei die Freiheitsrechte der Bürgerinnen und Bürger gewahrt bleiben.
So muss sich die Videoüberwachung auf gefährdete Bereiche beschränken, wobei die jeweilige Gefährdungslage zu berücksichtigen ist. Sollte sich die Notwendigkeit ergeben, Videokameras an weiteren Bahnhöfen zu installieren, steht der Datenschutz dem nicht entgegen. Eine lückenlose, flächendeckende Videoüberwachung darf es jedoch auch in Zukunft nicht geben. Schließlich muss gewährleistet sein, dass die Aufnahmen nicht in die falschen Hände gelangen und nur für gesetzlich zugelassene Zwecke verwendet werden.
Beim Informationsaustausch zwischen den Sicherheitsbehörden ist zu berücksichtigen, dass Polizei und Nachrichtendienste unterschiedliche Aufgaben und Befugnisse haben. Eine gemeinsame Anti-Terror-Datei muss sich deshalb auf Grundinformationen über Zielpersonen und Hinweise auf vorhandene Akten beschränken. Einen Informationsverbund („Volltextdatei“) kann es schon deshalb nicht geben, weil Nachrichtendienste vielfach ungesicherte Daten erheben und Informationen, die sie von Gewährsleuten und ausländischen Diensten erhalten, nur beschränkt verwertet werden dürfen. Der Polizei stehen – anders als den Nachrichtendiensten – Exekutivbefugnisse zu, etwa bei der Zeugenvernehmung, bei Hausdurchsuchungen und bei der Beschlagnahme von Gegenständen. Jede polizeiliche Maßnahme steht unter voller Kontrolle unabhängiger Gerichte. Besonders kritisch ist die Erfassung von „Kontakt- und Begleitpersonen“, bei denen es sich nicht um Terrorverdächtige handelt. Bisweilen wird sogar die Erfassung von Kontaktpersonen zu Kontaktpersonen diskutiert. Einer derartig ausufernden Datenverarbeitung würde ich mich widersetzen.
Gerade angesichts der Gefahren des internationalen Terrorismus gilt es, die Freiheitsrechte der Bürger im Sinne der Zielsetzung unserer freiheitlichen Verfassung zu wahren. Alle Eingriffsmaßnahmen müssen mit Blick auf ihre Effizienz und ihre Eingriffsintensität in Grundrechte regelmäßig überprüft werden.“