Der Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit

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Bonn, den 14. März 2005

Pressemitteilung 11/2005

Keine Vorratsdatenspeicherung für Telekommunikations- und Internetdienste

Der Bundesbeauftragte für den Datenschutz Peter Schaar lehnt eine flächendeckende Vorratsspeicherung von Verkehrsdaten für die Bereiche Telekommunikation und Internet ab. Schaar reagiert damit auf Äußerungen aus dem politischen Raum, die in den Medien zitiert worden sind. Darin wird über die mögliche Einführung einer Vorratsdatenspeicherung von einem Jahr berichtet.
 
Aufgrund der aktuellen Gesetzeslage ist das in den Medien beschriebene Vorhaben derzeit nicht zulässig. Das Telekommunikationsgesetz sieht eine Speicherung von Verkehrsdaten nur in einem sehr beschränkten Umfang vor. Danach dürfen Daten nur zu Abrechnungszwecken und höchstens für sechs Monate gespeichert werden. Dies ist erst im vergangenen Jahr im Rahmen der Novellierung des Telekommunikationsgesetzes in einer breiten öffentlichen Diskussion erörtert worden. Damals einigten sich Bundestag und Bundesrat, auf die Einführung einer Vorratsdatenspeicherung zu verzichten. Der Deutsche Bundestag hat diese Beschlusslage am 17. Februar 2005 bestätigt. Dieses Votum des Gesetzgebers darf nicht konterkariert werden.
 
Es ist beabsichtigt, mit Hilfe der Vorratsspeicherung Daten zu erhalten, die möglicherweise für Zwecke der Strafverfolgung benötigt werden könnten. Dies hätte zur Folge, dass Millionen von Datensätzen völlig unschuldiger und unverdächtiger Nutzer von Telekommunikationsdiensten quasi “auf Vorrat” überwacht würden. Höchst sensible und vom Fernmeldegeheimnis des Grundgesetzes geschützte Daten müssten standardmäßig, d.h. ohne einen konkreten Anlass für mögliche künftige Strafverfolgungsmaßnahmen gespeichert werden. Gegen eine Vorratsdatenspeicherung sprechen aber nicht nur verfassungsrechtliche Argumente. Es ist auch fraglich, ob sie im Ergebnis die praktische Arbeit der Strafverfolgungsbehörden in dem Umfang unterstützt, wie dies zum Teil vermutet wird.
 
Vor diesem Hintergrund ist es erforderlich über Alternativen nachzudenken, die weniger schwer in Grundrechtspositionen der Bürgerinnen und Bürger eingreifen. Die USA haben gute Erfahrungen mit dem “Quick-Freeze-Verfahren” gemacht. Weder die Telekommunikationsunternehmen noch die Internet-Zugangsdienste sind in den USA verpflichtet, Verkehrsdaten zu speichern. Die Strafverfolgungsbehörden gehen in begründeten Fällen auf die Unternehmen zu und bitten um Speicherung bestimmter Daten. Nachdem diese Daten gesichert sind, hat die Behörde 90 Tage Zeit, Beweise zu sammeln, um einen richterlichen Beschluss zu erwirken. Mit dessen Hilfe können sie dann auf die Daten zugreifen. So erhielt beispielsweise der Internet-Provider AOL bei ca. 28 Millionen Kunden jährlich nur etwa 2500 Anfragen, Verkehrsdaten vorläufig zu speichern. In lediglich einem Viertel dieser Fälle legten die Behören nachträglich einen richterlichen Beschluss vor. Dies macht deutlich, dass die Strafverfolgungsbehörden in einem geringeren Maß als bislang öffentlich diskutiert für ihre Arbeit Informationen über Verkehrsdaten benötigen.
 
Es wäre wünschenswert, dass diese Realitäten auch in der europäischen Debatte über die Einführung einer Vorratsdatenspeicherung berücksichtigt werden.